In demselben Interview mit der "Welt" aus dem Jahr 1979 erinnert sich Karl Richter an die Anfänge in München.
Frage (Welt): Ist Ihre musikalische Karriere eigentlich so verlaufen, wie Sie sich das mit Anfang Zwanzig vorgestellt haben?
Karl Richter: "Ja, was hab’ ich mir damals vorgestellt? Ich wollte nicht berühmt werden deswegen, weil ich Organist an St. Thomas in Leipzig war, wo Bach der Thomaskantor gewesen ist. Ich wollte irgendwo, ganz gleich wo, einen Chor gründen und eine Musikgemeinde aufbauen, wo ich Orgel und Cembalo spielen und Kammermusik machen konnte, was ich jetzt tue.
Ich habe damals, als ich in den Westen kam, in mehreren Städten Probe gespielt. Auch in Freiburg. Aber da wurde ich nicht genommen, weil Harald Genzmer und Gustav Scheck der Meinung waren, dass ich kein Verhältnis zur zeitgenössischen Musik hätte.
Dann habe ich in München Probe gespielt. Und da hat mir der unlängst verstorbene Robert Heger als Präsident der Hochschule geschrieben, das Ministerium könne sich nicht entschließen, einen 24jährigen ins Lehrerkollegium aufzunehmen, aber sie würden mir anbieten, die Vertretung als Orgellehrer zu übernehmen für ein Semester. In der Zeit könnten sie sich dann um einen Besseren bemühen. Ich habe den Vorschlag angenommen und natürlich gehofft, dass sie keinen Besseren finden. Ja, so ist es gewesen."
Karl Richter an der Orgel von St. Thomas in Leipzig 1949