24. August 2008

Leonard Bernstein zum 90. Geburtstag



Leonard Bernstein, einer der bedeutendsten Musiker des vergangenen Jahrhunderts, wäre am morgigen 25. August 90 Jahre alt geworden. Wie mit so vielen großen Dirigenten verband Karl Richter auch mit Bernstein ein von gegenseitiger Hochachtung geprägtes freundschaftliches Verhältnis, das vor allem in Richters letzten Lebensjahren immer enger wurde.



Leonard Bernstein und Edda Moser

Im Januar 1981, nur wenige Wochen vor Karl Richters Tod, nahm Bernstein mit dem Symphonieorchester des BR im Herkulessaal der Münchner Residenz Richard Wagners Tristan und Isolde für die Schallplatte auf. Im gleichen Saal fanden auch Generalprobe und Aufführung des zweiten Teils von Bachs Weihnachtsoratorium statt.

Bernstein kam nach Beendigung seiner Aufnahmesitzung zurück in den Saal und setzte sich neben den Solo-Oboisten. In einer der nächsten Unterbrechungen der Probe ging Bernstein zu Richter ans Cembalo, umarmte den überraschten Dirigenten-Freund und sagte zu ihm: "Das machts Du einfach wunderbar!

Karl Richter erzählte immer wieder begeistert von Bernsteins Vorträgen zur Bach'schen Musik, die er in den USA gehört hatte. Beide tauschten sich auch brieflich über Interpretationsfragen aus.



Leonard Bernstein während der Probe zum Karl Richter-Gedenkkonzert am 3. Mai 1981

So war es für Bernstein eine selbstverständliche Geste der Wertschätzung für Karl Richter, dass er am 3. Mai 1981 im Herkulessaal das Gedenkkonzert "In memoriam Karl Richter" mit dem Münchener Bach-Chor und Bach-Orchester dirigierte. Das Konzert begann mit dem Choral "Wenn ich einmal soll scheiden" aus Bachs Matthäus-Passion, zu dem die Zuhörer sich auf einen Wink des Dirigenten von ihren Sitzen erhoben. Es folgten das 3. Brandenburgische Konzert, die Kantate "Wachet auf, ruft uns die Stimme" BWV 140 sowie das "Magnificat".

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Official Leonard Bernstein Website

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Leonard Bernstein Photo Collection

18. August 2008

Christian Kabitz über Karl Richters Bedeutung damals und heute



Christian Kabitz hat seit 1979 die Stelle als Kirchenmusikdirektor an St. Johannis zu Würzburg inne.

An der Beckerath-Orgel in St. Johannis zu Würzburg gab Karl Richter in den 1960er und 70er Jahren mehrmals Orgelkonzerte. Günter Jena, Richters Assistent in München, hatte 1961 die neue Kantorenstelle übernommen, nach dem Vorbild seines Lehrers den Bachchor Würzburg samt Bachorchester gegründet sowie 1968 die Würzburger Bachtage ins Leben gerufen.



Als ich mit Karl Richter aufgewachsen bin, hatten Nicolaus Harnoncourt und Helmuth Rilling schon kräftig Musik gemacht. Und trotzdem war jede neue Schallplatte von Richter eine Offenbarung. Ich kannte natürlich die Stücke von der Partitur her, hatte sie schon gehört oder sogar selbst dirigiert, aber wenn Karl Richter kam, sagte man: „Stimmt, so muß es sein!"
Es war immer ein ganz ehrfurchtsvoller Moment, wenn Karl Richter in der Kantine saß oder durch die Gänge ging auf der Suche nach einem Schüler. Für mich war er die größte Respektsperson.

Karl Richter hatte die Fähigkeit, urplötzlich das Herz zu berühren. Man spürte, dass seine Interpretation noch ein wenig mehr Wahrheit in der Musik entdeckt und die Text-Musik-Beziehung unmittelbar in das eigene Seelenleben transportiert hat.

Wenn man von Karl Richter so begeistert ist, möchte man natürlich auch beim eigenen Musizieren dem Vorbild möglichst nahe kommen. Und das verleiht einem die Kraft, mit einem Orchester auf diese Klangvorstellung hin zu arbeiten.



Die Bedeutung Karl Richters in der heutigen Musiklandschaft beruht auch darauf, dass er ein unglaublicher Wegbereiter für Bach war. Ein Rilling oder auch ein Harnoncourt hätten es ohne den „Antipoden" Richter nicht so weit gebracht.

Wenn man wie Karl Richter mit einem solchen Ruhm noch heute präsent ist, ist das ein Zeichen, welch ein riesiges Ereignis er in unserem Musikleben war.


Das vollständige Interview mit Christian Kabitz (zusätzlich die Interviews mit Franz Kelch und Friedemann Winklhofer) gibt es auf DVD zum Preis von Euro 19,00, zu bestellen nur bei Conventus Musicus per E-Mail.

Alle Interviews mit den Zeitzeugen (26 Vokal- und Instrumentalsolisten) sind auf 10 DVDs zum Preis von Euro 150,00 erhältlich, ebenfalls nur bei Conventus Musicus per E-Mail.

12. August 2008

Friedemann Winklhofer über Karl Richters Klangvorstellung an der Orgel

Karl Richters Vorstellung vom Orgelklang war immer sehr farbig, sowohl bei den solistischen Auftritten wie auch am Continuo. Das Continuo musste immer gut hörbar sein, er wollte die Orgel sehr deutlich haben, sie sollte in den Arien, aber vor allem in den großen Turba-Chören der Passionen und den Chorfugen der h-moll-Messe und der Kantaten präsent sein und dem Chor Farbe geben. Je größer die Orgel war, an der man Continuo spielte, umso mehr konnte man ihn mit einer farbigen Registrierung erfreuen. Bei kleineren Orgel-Positiven hat Richter den Klang oft selbst ausprobiert und einem seine Vorstellungen deutlich gemacht.



Friedemann Winklhofer im Jahre 1977

Da erinnere ich mich an meine erste h-moll-Messe in München, wo im Gegensatz zur romantischen Schaffhauser Orgel nur ein Positiv zur Verfügung stand. Immer wenn Richter mit meiner Klangvorstellung nicht ganz einverstanden war, kam er bei weiterlaufender Probe durch das Orchester zu mir ans Positiv und sagte mir, wie und in welcher Lage er diese Stelle gerne hätte. Das war für ihn schon etwas außergewöhnlich, denn der Orgelspieler war bei ihm, der ja selber ein großartiger Organist war, immer in der „Schusslinie". Meine Kolleginnen und Kollegen haben da schon manchmal einiges abbekommen. Bei mir war er erstaunlicherweise sehr hilfsbereit, was auch den Leuten vom Orchester aufgefallen ist.



Friedemann Winklhofer mit Leonard Bernstein bei der Probe in der Münchner Musikhochschule anlässlich des Gedenkkonzertes für Karl Richter am 3. Mai 1981


Ich habe Karl Richter oft an großen Orgeln wie im Herkulessaal oder in der Markuskirche gehört, und es war immer ein Erlebnis, ganz gleich wie das Konzert war. Sicherlich hatte er auch manchmal schlechte Abende und hat gelegentlich auch Stellen „in den Sand gesetzt". Es war aber immer - Rauskommen ist leicht, aber das Wieder-Reinkommen ist das Schwierige - faszinierend, wie er das überbrücken konnte. Wer die Stücke nicht genau kannte, hat meist gar nicht gemerkt, dass dann auch ein wenig Improvisation dabei war.

Richter hat ja alles auswendig gespielt, ob das die sechs Triosonaten waren, die großen Bach-Werke, oder Reger B-A-C-H, oder auch Liszt B-A-C-H. Es gab damals in Europa kaum Konzertorganisten, die alles auswendig gespielt haben. Für mich war das unglaublich mitreißend, mitzuerleben, wie Richter alles auswendig gespielt und selbst registriert hat, mit einer Selbstverständlichkeit, wie das sonst nur Konzertpianisten geboten haben.



Friedemann Winklhofer beim Interview am 1. August 2005 in der Johanniskirche Ansbach


Das vollständige Interview mit Friedemann Winklhofer (zusätzlich die Interviews mit Franz Kelch und Christian Kabitz) gibt es auf DVD zum Preis von Euro 19,00, zu bestellen nur bei Conventus Musicus per E-Mail.

Alle Interviews mit den Zeitzeugen (26 Vokal- und Instrumentalsolisten) sind auf 10 DVDs zum Preis von Euro 150,00 erhältlich, ebenfalls nur bei Conventus Musicus per E-Mail.

6. August 2008

Cellist Alexander Teuner gestorben



Am vergangenen Montag, dem 4. August 2008, verstarb in Unterschleißheim Karl Richters langjähriger Continuo-Cellist Alexander Teuner im Alter von fast 81 Jahren.




Alexander Teuner bei der Unitel-Produktion von Bachs h-moll-Messe im September 1969 in der Klosterkirche zu Dießen am Ammersee

Gerne sowie mit Hochachtung und Bewunderung erinnern wir uns an seine Zuverlässigkeit und Präzision, den wunderbar warmen Klang seines Instruments und die überragende Musikalität, mit der Alexander Teuner all die Jahre in Karl Richters Bach-Orchester die Continuo-Gruppe führte.




Alexander Teuner (Violoncello) mit Karl Richter (Cembalo) und Herbert Duft (Kontrabass) bei der Unitel-Produktion von Bachs Johannes-Passion im September 1970 in der Klosterkirche zu Dießen am Ammersee