14. April 2008

Vor 40 Jahren: Bach in Moskau und St. Petersburg (Russland)

Vom 14. – 21. April gastierte Karl Richter mit dem Münchner Bach-Chor und dem Münchener Bach-Orchester in Russland (Teil der damaligen UdSSR). In sechs Tagen fanden insgesamt vier Konzerte in Moskau und St. Petersburg (dem damaligen Leningrad) statt. Auf dem Programm standen die Johannes-Passion und die h-Moll-Messe von Johann Sebastian Bach. Die Tournee wurde im Rahmen des deutsch-sowjetischen Kulturaustausches arrangiert und war das 'Gegengastspiel' zum Auftreten des Staatlichen Sinfonieorchesters der UdSSR im November 1967 in der Bundesrepublik Deutschland.

Kieth Engen fasste seine Eindrücke von dieser Gastspielreise im Folgenden zusammen:



Kieth Engen, Solist der Bass-Partien dieser Konzertreise

Die Gedanken fliegen in verschiedene Richtungen, wenn man sich zwischen Himmel und Erde, zwischen München und Moskau befindet, in einer Boeing 707 der Lufthansa, namens „Berlin“. Was ist wohl seltsamer? Die Tatsache, daß wir die Strecke in 2 Stunden und 48 Minuten zurücklegen, oder daß dieses Gastspiel nun tatsächlich zustande gekommen ist und daß wir morgen die Johannes-Passion aufführen werden in der Hauptstadt eines großen Landes, dessen Regierung zu einer nicht unbedeutenden Richtlinie ihrer Politik den Atheismus erwählt hat?

Oder daß hier ein Apparat von 143 Musikern „unterflugs“ ist – 97 Mitglieder des Chores, 41 des Orchesters und unser Sängerquintett, in dem sich wieder – siehe deutsch-sowjetischer Kulturaustausch – nur eine einzige gebürtige Deutsche (Wohnsitz: Genf!) befindet, nämlich unsere Sopranistin Ursula Buckel? Hertha Töpper ist Österreicherin, Ernst Haefliger Schweizer, Peter van der Bilt Holländer und der Baß ein zwar bajuwarisierter, aber immerhin doch – Amerikaner. Wir haben auch zwei sowjetische Bürger an Bord, Navigatoren, die den deutschen Kollegen behilflich sind, den Weg nach Moskau nicht zu verfehlen.




Im Hotel UKRAINA waren alle Mitwirkenden während der drei Tage in Moskau untergebracht.

Wir überfliegen Warschau und Minsk und landen in der Abenddämmerung in Moskau. München hatte unsere Maschine 15.19 Uhr verlassen, der Zeitunterschied beträgt zwei Stunden. 30 Minuten später ist die „Berlin“ bereits wieder auf dem Rückflug in die Bundesrepublik. Seltsame Sprachgepflogenheiten: Die Zollerklärungen, die wir alle für unser Gastland ausfüllen müssen, sind in französischer Sprache abgefaßt. Aber alle Beschriftungen auf dem Moskauer Flugplatz in Russisch und – Englisch. In fünf großen Bussen werden wir zu unserem Hotel befördert. Erster Eindruck von der Straße: Viele Lastwagen und Busse, weiße Taxis und, obwohl es nun fast 9 Uhr Abend ist, geöffnete Friseurläden, die anscheinend durchwegs gut besucht sind.



Konzertplakat vor dem Tschaikowsky-Konservatorium

Die Probe findet am nächsten Morgen im großen Saal des Konservatoriums statt; ein schöner Saal, geschmückt mit 14 Portraits großer Komponisten – darunter Bach, Beethoven, Mozart, Schubert, Schumann und Wagner. Die Orgel auf dem Podium stammt aus Paris, zwei große Konzertflügel – ebenfalls auf dem Podium – aus dem amerikanischen Haus Steinway, und das Cembalo ist "Made in Germany".





Probe für Bachs Johannes-Passion mit Karl Richter und Hertha Töpper
(Fortsetzung folgt)