27. Februar 2008

Die Ära Karl Richter in München: Die Jahre 1957 ff. [DE]

Im Frühjahr 1957 führte die erste Auslandsreise des Münchener Bach-Chores und Münchener Bach-Orchesters nach Italien. In Palermo, Venedig, Triest, Florenz und Rom gelangte Bach's Matthäus-Passion zur Aufführung. Unter den Gesangssolisten war u.a. Fritz Wunderlich.

Antonia Fahberg

"Als Fritz Wunderlich zum ersten Mal zu Richter kam, da war er ein ganz junger Sänger, in Stuttgart engagiert und auf seine Stimme natürlich sehr stolz. Er wollte immer wieder damit brillieren. Zum Beispiel erzählte er: "Da bin ich heute um acht Uhr früh aufgestanden und wollte ein C singen und habe keins gehabt!" Wir darauf: "Bist du wahnsinnig, was willst du in der Früh um acht mit einem hohen C, da hat man ja normalerweise noch nicht mal eine Stimme, geschweige denn ein hohes C!" ..."



Fritz Wunderlich und Karl Richter 1957

Viermal innerhalb von 15 Monaten war wiederum Italien das Ziel von Konzertreisen, im Dezember mit Bachs Matthäus-Passion nach Bologna, im darauffolgenden Frühjahr mit einem Motettenprogramm a-capella nach Palermo, Florenz, L'Aquila, Rom, Mailand und Triest.

Irmhild Reges

"Wir fuhren in einem Touropa-Zug, wie es damals üblich war. Wir hatten in der Nacht unsere Betten, und am Tage wurde eine Art Bügelbrett in die Mitte geschoben, um darauf zu speisen. So kamen wir bis nach Palermo in Sizilien, in Messina setzten wir mit dem Zug auf einem Schiff über. Wir hatten schöne Konzerte und viel Erfolg, die Italiener fanden das großartig, was wir geleistet hatten."



Irmhild Reges

Im Dezember stand Bach's h-moll-Messe in Genua auf dem Programm und schließlich am 24. März 1959 Bach’s Matthäus-Passion beim Festival Arturo Toscanini in Parma. Die Solisten waren Ursula Buckel, Hertha Töpper, Ernst Haefliger, Manfred Cordes und Kieth Engen.

Höhepunkt des Jahres 1958 war die Schallplattenaufnahme von Bach's Matthäus-Passion für die Archiv-Produktion der Deutschen Grammophon Gesellschaft, für die eigentlich Günther Ramin als Dirigent vorgesehen war.

Hertha Töpper

"Mit ihm habe ich die Matthäus-Passion für die Deutsche Grammophon begonnen; doch eine Woche später war er tot."

Ernst Haefliger

"Man hat auch mich gefragt, mit wem man es machen sollte. Und ich hab gesagt: "Mit Richter." Das war für mich das Nächste. Richter hat auch die Kraft dazu gehabt. Wenn er dabei war, hat er nie nachgelassen oder etwas gekünstelt gemacht. Und wenn man die erste Aufnahme nimmt, von der Grammophon, da hört man das noch drauf. Wie das ganz streng war im Grunde, und auch der Chor, das hört man. "



Schallplattenaufnahme der Matthäus-Passion

Hertha Töpper

"Karl Richter hat dann die Matthäus-Passion übernommen und natürlich wieder von vorne angefangen. Da habe ich ihn als Grammophon-Einspieler erlebt, sehr rigoros, aber sehr sicher. Wir hatten ja alles schon oft miteinander gemacht, ich kannte seine Tempi, und es ging alles wunderbar. "

Ernst Haefliger sang den Evangelisten, Kieth Engen die Jesus-Partie, die weiteren Gesangssolisten waren Irmgard Seefried, Antonia Fahberg, Hertha Töpper, Dietrich Fischer-Dieskau und Max Pröbstl.

Irmhild Reges

"Die Aufnahmen fanden im Herkulessaal statt, aber immer erst nach den abendlichen Konzerten. Die Proben und Aufnahmen begannen also nicht vor 23.00 Uhr in der Nacht. Die Zusammenarbeit mit den Solisten und dem Orchester war wunderschön, zum Abhören sind wir immer in die Räume dahinter mitgelaufen, um etwas davon mitzubekommen, wie es nun geklungen hat."


Otto Büchner und das Münchener Bach-Orchester

Kurt Hausmann

"Bei dieser erste Aufnahme in München hat es nicht funktioniert mit den Englisch Hörnern. Und da kam ein Anruf ans Festspielhaus, und Richter sagte: "Mit den Englisch Hörnern, das klappt nicht so, können Sie es nicht mit Edgar Shann zusammen machen?" Ich sagte: "Ich weiß nicht, schicken Sie mir den Edgar nach Bayreuth, dann probieren wir, ob es geht." Edgar Shann kam, wir haben es probiert, haben uns schön zusammen gefunden und haben dann sämtliche Englisch Horn-Partien zusammen musiziert, und es ging gut."

Hertha Töpper

"Die Altarie wurde um 2.30 Uhr früh aufgenommen. Das weiß natürlich kein Mensch und es ist ja auch nicht interessant, was man für Schwierigkeiten so hat."



Hertha Töpper, Antonia Fahberg und Max Pröbstl