30. Juni 2005

Hertha Toepper erinnert sich an Karl Richter

Hertha Töpper
Alt



geboren 19. April 1924
in Graz, Österreich

aus dem Interview:

...Bach ist ein Genuss, es ist wunderbare Musik. Karl Richter hat ja sehr viel Wert auf die Melodie gelegt.

Ich glaube, es waren ihm im Rezitativ die Worte weniger wichtig - verstehen sollte man sie schon -, aber man sollte nicht in einem Sprechton singen und den Duktus der Melodie vernachlässigen. Ihm war die Dichte der Melodie sehr wichtig. Ich glaube, dass er da von den Holzbläsern herkam.

Zum Beispiel bei Händel kommt es in den Rezitativen vor, dass in der ersten Zeile der Satz beginnt und das Ende kommt erst unten auf der letzten Zeile, und dazwischen sind lauter Schachtelsätze. Wenn man da nichtden Hauptsatz in der eigenen Spannung hat, im Wissen: der Satz ist es und alles andere muss man dazwischen unterbringen, - dann kann man nicht erwarten, dass das Publikum den Zusammenhang versteht, wenn man sich selbst von Beistrich zu Beistrich hangelt. Das habe ich auch immer meinen Schülern gesagt.

Karl Richter war einer, der die Rezitative sehr aussingen ließ, der sehr viel Zeit dafür verwendet hat. Ich fand alles so richtig wie er es gemacht hat. Ich war vor allem so unendlich eins mit ihm. Und er wollte auch nicht zu viel proben, damit das Stück genügend Luft am Abend hat. Es ist so wichtig, dass die Musik am Abend neugeboren, neuempfunden, neugestaltet und aufgebaut wird. Das sagte Richter auch ganz richtig: 'Der Abend entwickelt sich erst.' ...

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