4. Januar 2014

Peter-Lukas Graf wird 85

Herzlichen Glückwunsch zum Geburtstag!



Peter-Lukas Graf im Jahr 2005 beim Interview in Würzburg

Peter-Lukas Graf wurde am 5. Januar 1929 in Zürich geboren. Ende der 1950er Jahre kam der erste Kontakt mit Karl Richter zustande. In unserem Interview mit dem Schweizer Flötisten und Dirigenten, das anlässlich eines Meisterkurses am 20. Mai 2005 in Würzburg stattfand, erzählte uns Peter-Lukas Graf von der ersten Begegnung mit Karl Richter.

Ende der 50er Jahre, ich kann das Jahr nicht mehr genau nennen, kam ich nach München, um mich dort für einen Berufswechsel vom Orchesterflötisten zum Opernkapellmeister vorzubereiten. Ich spielte aber noch Flöte und wollte das auch nicht völlig weglassen. Und nachdem ich damals in der Schweiz mit dem einzigen guten Cembalisten, Eduard Müller, dem Münsterorganisten von Basel, Konzerte gegeben hatte, fragte ich ihn: „In München, was mach ich da, kennst du irgendjemanden?" Da sagte er: „Da ist doch der Karli, geh zu Karli, sag einen schönen Gruß, er soll mit dir spielen." Richter war für mich natürlich ein Name, aber mehr nicht.

Ich kam also nach München und sah ein Konzert angezeigt mit Händel-Orgelkonzerten in der Markuskirche. Ich ging in das Konzert. Leider hatte ich einen Platz, von dem aus ich nicht auf die Empore sehen konnte, ich habe also Richter, der mir nicht bekannt war, gar nicht gesehen. Aber das war eines der ganz wenigen Konzerte in meinem Leben, in denen ich vom ersten bis zum letzten Ton fasziniert war, dass ich am Schluss des Konzertes von dieser Art des Musizierens völlig erfüllt und begeistert war.

Ich ging dann auf die Empore hinauf, um Richter zu suchen. Da war fast kein Mensch mehr, da lief nur noch einer im Regenmantel herum, so ein bisschen unscheinbar, und ich fragte den: „Können Sie mir sagen, wo Herr Richter ist?" Der schaute mich sehr komisch an und sagte: „Selber." Das war meine erste Begegnung. Ich war nun nicht gerade schüchtern und sagte: „Ich bin Peter-Lukas Graf, einen schönen Gruß von Herrn Müller, wollen Sie mit mir spielen?" Da war nun er wieder etwas überrascht, aber der Erfolg war, dass wir kurze Zeit darauf in der Markuskirche einen gemeinsamen Bach-Abend gemacht haben, Flöte und Cembalo.



Peter-Lukas Graf und Karl Richter in Ansbach 1963

Ich erinnere mich unter anderem an einen Händel-Abend im Rahmen der Ottobeurer Konzerte. Wir hatten vor, fünf Flötensonaten von Händel zu spielen. Ein oder zwei Tage vorher war mir daran gelegen, einmal mit ihm zu proben. Ich fand ihn nicht in der Hochschule, dann hieß es, er sei da oder dort, ich fand ihn wieder nicht, schließlich fand ich ihn in der Markuskirche, wo er am Unterrichten war. Dann hielt ich ihn an, zu proben, und er meinte, er sei jetzt nicht in Stimmung, wir sollten erst noch einen Kaffee oder ein Bier trinken. So ging das, und schließlich und endlich landeten wir doch in der Musikhochschule, und unsere Probe spielte sich folgendermaßen ab: Die erste Sonate, erster Satz. Vorbei, er schaut mich an und sagt: „Weiter.“ Zweiter Satz: Er schaut mich wieder an: „Weiter.“ Dritter Satz, er schaut mich wieder an: „Weiter.“ Und so gingen die vier oder fünf Sonaten vorbei, und das war unser gemeinsames Zusammenspiel als Probe. 



Peter-Lukas Graf und Karl Richter vor der Carnegie Hall in New York 1967

Über das Paradestück für jeden Flötisten, Bachs Sonate in h-moll:

Die h-moll-Flöten-Sonate gehört für einen Flötisten zu den besten und überragendsten Werken unserer relativ bescheidenen Flötenliteratur. Aber auch in der barocken Umgebung sticht sie als etwas Besonderes hervor. Der erste Satz, das Andante, ist, glaube ich, das längste Kammermusikstück, das es überhaupt gibt. Und es besteht aus einer Reihe von Themen und Motiven, mit denen der Satz gebaut ist. Ich habe nie gründlich analysiert, um heraus zu finden, wie es Bach gemacht hat. Ich glaube, man kommt auch nicht genau dahinter. Es ist so wie ein Teppich, der gewoben wird, und es ist ein Wunder, dass das Ganze trotzdem steht. Es ist so fantastisch in den Proportionen, die aber gar nicht rational zu ergründen sind, dass es für mich ein Wunder bleibt, dieser erste Satz speziell. Der zweite Satz ist insofern besonders, weil Bach ausnahmsweise eine Continuostimme selber ausschreibt, natürlich in Richterscher Art, könnte man sagen. Sehr frei behandelt, sehr frei zweite Stimmen oder sogar einen fünfstimmigen Satz teilweise dazukomponiert. Das sind schon die Besonderheiten dieses Stückes.



Peter-Lukas Graf und Karl Richter vor der Carnegie Hall in New York 1967



Peter-Lukas Graf im Jahr 1970

Zuletzt berichtete uns Peter-Lukas Graf von seinen verschiedenen Flöten-Instrumenten.

Ich habe im Laufe meines Lebens die Flöten mehrmals gewechselt. Die Flöte, die ich nicht mehr spielte, habe ich immer sofort weggegeben. Habe verschiedene Marken gespielt, habe aus verschiedenen Gründen gewechselt. Am Anfang, gut das war etwas anderes, wir waren noch nicht so verwöhnt wie die heutigen Jungen, die in Studienzeiten schon nach Platin und Gold und Holz oder was, verplatint oder vergoldet, Ausschau halten und denken, sie wären dann bessere Flötisten. Wir waren froh, wenn man eine gute Flöte hatte, heute ist es schwierig, ein schlechtes Instrument zu finden. Es herrscht ein so hoher Standart im Flötenbau, dass es gar nicht mehr darauf ankommt. Mir wurden vor anderthalb Jahren zwei Goldflöten auf dem Flughafen in Zürich gestohlen, und ich musste mich wieder, leider, auf die Suche nach einem neuen Instrument machen. Ich bin immer noch ein bisschen am Ausprobieren.



Peter-Lukas Graf im Jahr 1972

Das gesamte Interview findet sich in der Buch-Dokumentation "Karl Richter in München - Zeitzeugen erinnern sich" und ist in deutscher Sprache sowie der englischen Übersetzung auf dem Karl Richter-Archiv abrufbar.

Das komplette Interview in Bild und Ton gibt es auf DVD.