14. Februar 2016

Karl Richters 35. Todestag

† am 15. Februar 1981

Im Trauergottesdienst am 20. Februar 1981 in der Markuskirche München sprach auch der vor gut zwei Wochen verstorbene Flötist und Freund Karl Richters, Aurèle Nicolet.

"Eines beschäftigte Karl Richter ständig vor seinem Tod: Die letzten Zeilen von Martin Luther, verfasst in Eisleben, mit dem Datum 16. II. 1546, die man zwei Tage später auf seinem Totenbett fand. Karl Richter zeigte mir vor zehn Tagen das Blatt, das er stets bei sich trug, mit diesem lateinischen Text, dessen deutsche Übersetzung lautet:
1. Niemand kann Vergil in seinen Hirtengedichten verstehen, wenn er nicht fünf Jahre Hirte war. Niemand kann Vergil in seinen Gedichten vom Landbau verstehen, wenn er nicht fünf Jahre Landmann war.

2. Niemand kann Cicero in seinen Briefen völlig verstehen, wenn er nicht zwanzig Jahre in einem hervorragenden Staatswesen beschäftigt war.

3. Niemand meine, die Heilige Schrift genügend in sich aufgenommen zu haben, wenn er nicht hundert Jahre die Kirchen mit den Propheten, mit Johannes dem Täufer, Christus und den Aposteln geleitet hat.
Du, lege nicht die Hand an jene göttliche Aeneis, sondern bete gebeugt ihre Fußspuren an! Wir sind Bettler, das ist wahr!

Karl Richter sagte dazu: In der Zeit, die mir noch zum Leben bleibt, muß ich lernen und Musik memorieren, nicht nur auswendig und künstlerisch - sondern par Coeur.

Diese Einstellung zum Leben galt bei ihm für Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Wir sind glücklich, dass solche großen Geister existieren und als lebendiges Beispiel verbleiben."


Gedenktafel am Eingang zur Markuskirche in München