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19. März 2008

Die Ära Karl Richter in München: Die Jahre 1966 ff. [DE]

Maurice André hatte inzwischen eine grandiose Solisten-Karriere gestartet und stand hinfort Karl Richter nicht mehr so oft zur Verfügung. Den Trompeten-Platz nahm nun sein Landsmann Pierre Thibaud ein, erstmals beim Weihnachtsoratorium 1966 im Salzburger Festspielhaus.



Pierre Thibaud

1966 sang zum ersten Mal Peter Schreier, Karl Richter seit den Tagen der Kreuzschule in Dresden freundschaftlich verbunden, den Evangelisten in Bachs Matthäus-Passion, am 3. März im Kongresssaal des Deutschen Museums in München und zwei Tage später im Musikvereinsaal Wien. Hier ereignete sich auch das sensationelle Debüt der ungarischen Altistin Julia Hamari.

Julia Hamari

"Ich stand auf für die Erbarme-dich-Arie, und ich glaube, ich habe gut gesungen. Das war die erste Matthäus-Passion meines Lebens. Natürlich wollte das niemand glauben. So einen Anfang gibt es überhaupt gar nicht. Die Arie war zu Ende, und ich schaue ihn an, und er schaut mich an, und es entstand eine Wahnsinns-Pause, eine furchtbare Pause, es ging nicht weiter. Dann fing der Chor an, ganz langsam den Choral zu singen. Dann hat er ganz schnell das folgende Rezitativ gemacht und mich dabei so böse angeschaut, aber so böse, als wenn ich etwas dafür konnte, dass er überrascht war."



Julia Hamari

Im Sommer 1967 begann die musikalische Zusammenarbeit Richters mit der gefeierten Mozartsängerin Edda Moser.

Edda Moser

"Ich hatte ein Engagement über die Deutsche Grammophon bekommen, dass Orfeo von Gluck aufgenommen würde mit Fischer-Dieskau und Janowitz, und ich sollte die Amore singen. Natürlich habe ich mich wunderbar vorbereitet. Einen Tag nach dem Tod meines Vaters musste ich dort in München erscheinen. Richter wusste, dass mein Vater gestorben war, es war ja durch alle Zeitungen gegangen, und er hat mir dann sein Beileid ausgesprochen. Ich sagte ihm noch: „Seien Sie nicht böse, ich kann die Korrekturaufnahmen nicht mit abhören. Ich muss Sie bitten, das zu machen, ich bin da zu bewegt.“ Es war ja eigentlich eine schwere Arbeit, den Amor zu singen."



Edda Moser

1967 stand auch im Münchener Bach-Orchester eine bedeutungsvolle Neuverpflichtung an: der Hornist Hermann Baumann.

Hermann Baumann

"Dass ich nun zu Karl Richter stieß, verdanke ich Maurice André. Maurice André hat zu Richter gesagt: „Alles in Ihrem Ensemble passt sehr gut, der Chor, das Orchester, der Bach-Chor ist phantastisch, aber nicht das Horn.“ Und daraufhin bin ich engagiert worden und habe als erstes eine Tournee gemacht nach Italien und in die Schweiz. Auf dieser Reise hatte ich mein Debut. Bei der ersten Probe wollte er mich natürlich einmal hören. Ich bin aufgestanden und habe losgeblasen, als Solist natürlich. Am Ende war kurze Stille, ich sagte: „Wollen Sie, dass ich etwas anders mache?“ „Nein, nein!“ Und er hat so gelacht, und das ganze Orchester und der ganze Chor haben so gelacht. So etwas hatten sie noch nicht gehört, so völlig anders. "



Hermann Baumann

1968 tauchte wieder eine neuer Name auf den Konzertprogrammen des Münchener Bach-Chores auf: Horst Laubenthal.

Horst Laubenthal

"Ich erinnere mich noch an das erste Vorsingen. Da wurde ich in die Hochschule bestellt. Ich hatte die meisten Sachen noch gar nicht gesungen, nur die Matthäus-Passion, noch keine Johannes-Passion. Wir haben zwei oder drei Rezitative aus der Matthäus-Passion gemacht und die große Stelle: „Und ging hinaus und weinete bitterlich“. Dann fragte er: „Haben Sie da Zeit oder da Zeit“, und so habe ich durch das kleine Vorsingen gleich mehrere Konzerte bekommen, und ich war sehr froh, schon so früh mit Karl Richter zusammen musizieren zu dürfen. Aber ich hatte ihn auch jahrelang wirklich beobachtet, um seinen Stil in mich aufzunehmen."



Horst Laubenthal